Horizontalfilterbrunnen der Berliner Wasserbetriebe

SCHARFENBERG
LERNEN MIT KOPF, HERZ UND HAND 

Scharfenberg: Hexen, Farmtiere und Insel-Internat 

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Die Insel Scharfenberg ist die größte Insel im Tegeler See. Sie wird auf der Landkarte von 1782 als „der Scharffe Berg“ und in einer Urkunde als „Scharffenbergswerder“ bezeichnet. Und es gibt tatsächlich einen Berg, nach dem das Eiland benannt ist – wenn man die knapp zehn Meter hohe Erhebung auf der Nordseite der Insel als Berg bezeichnen möchte. Die Anhöhe soll einer Sage nach von Hexen, denen der Weg zum Brocken im Harz zu weit gewesen war, in der Walpurgisnacht plattgetanzt worden sein. Weil man unter Hexen damals „scharfe Frauen“ verstand, wurde der Hügel
„scharfer Berg“ getauft – und der Name Scharfenberg war geboren. 

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Die historische Fähre wurde durch Personenkraft angetrieben.

Der auch „Bolleberg“ genannte Hügel war für die auf dem Tegeler See segelnden Fischer vermutlich als Landmarke eine Orientierungshilfe. Es gab hier auch einen Stein mit einem Loch in der Mitte, der sich früher auf dem Berg befunden haben soll. Ein Heimatkundelehrer der 22. Volksschule in Tegelort hatte erzählt: „Wenn ihr mal nach Scharfenberg kommt, müsst ihr euch den Stein ansehen, der dort liegt: Die Hexen, machten hier Halt und steckten ihren Besen in den Stein – und gingen danach (mit Besen) auf den Berg und fingen an zu tanzen.“ 
Die Insel gehörte im 18. Jahrhundert zum Besitz der Familie von Humboldt, bevor der Naturwissenschaftler und Professor der Botanik, Dr. Carl Bolle, die Insel kaufte. Dort erbaute er 1883 ein villenartiges Wohnhaus mit Turm, das so genannte Bolle-Haus, und ließ sich nach seinen Studienreisen auf die Kapverdischen und Kanarischen Inseln dort nieder.

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Heute fährt die Fähre mit Motorkraft

1867 schrieb er:

Ist’s nicht das Ufer, wie gemacht zum Träumen,
Des Sees, an dem als Kind mein Herz schon hing?
Das niedre Dach, von ries’gen Waldesbäumen
Wie eingehüllt in einen grünen Ring?

Ist’s nicht der Berg, den Ficht‘ und Flieder säumen,
Wo sich ihr Nest bau’n Grasemück‘ und Fink?
Was braucht von jenseits dieser Welle Schäumen,
Wer solch‘ Idyll von dem Geschick empfing?

Sei Zuflucht mir nach schweren Schicksalsstunden
Du hold‘ Asyl zu guter Zeit gefunden!

Als dieser Inselwohnung stille Laren.
Fernher nur dring‘ zum weinumrankten Hause
Der lauten Welt alltägliches Gebrause.

Bolle legte ein Arboretum an, in das er seine Sammlung verschiedenartiger, exotischer Gehölze pflanzte. Bis 1890 „gewöhnte“ er insgesamt 752 Arten von Bäumen und Sträuchern an das Scharfenberger Klima, unter anderem verschiedene Scheinzypressen, amerikanische Eichen, Edelkastanien und Douglasien. Seine Villa wurde in den 1950er Jahren abgerissen, doch haben sich einige von ihm gepflanzte Bäume erhalten. Die Erben Bolles verkauften das Eiland und die benachbarte Insel Baumwerder 1909 an die Stadt Berlin. 


Das 1.000 Meter lange und bis zu 420 Meter breite Eiland ist vor allem durch die 1922 von Wilhelm Blume gegründete Schulfarm bekannt geworden. Der Studienrat war gerade einmal 35 Jahre alt und am damaligen Humboldt-Gymnasium in Mitte tätig. Er hielt 1921 eine Sommerschule für die 10. Klasse des Gymnasiums auf der Insel ab, doch schon ein Jahr später eröffnete er auf dem Eiland im Bolle-Haus ein Aufbaugymnasium in Internatsform und übernahm den Scharfenberger Bauernhof. Die Schulfarm Scharfenberg war geboren, und der landwirtschaftliche Betrieb mit Schülern als Helfer wurde aufgenommen.

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Dieser Zaun trennt den Gehweg vom verbotenen Wald.

Das wichtigste Motto der Reformpädagogik, der sich die Schulfarm verpflichtet fühlte, war „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“ – ganz nach der Lehre des Schweizer Pädagogen Pestalozzi. Es war eine Schule mit Ansätzen einer direkten Demokratie: So durften auf Vollversammlungen nicht nur Schüler und Lehrer abstimmen, sondern auch die Fährleute, der Bauer, der Tischler und der Schmied. 

In den Jahren 1932/33 wurde die alte Hühnerfarm auf der Insel zum Treffpunkt einer kommunistischen Gruppe um den späteren Widerstandskämpfer und ehemaligen Scharfenberg-Schüler Hans Coppi. Coppi wurde 1942 als Mitglied der Roten Kapelle von den nationalsozialistischen Machthabern in Plötzensee ermordet. Seit 1986 erinnert eine Gedenktafel auf Scharfenberg an Hans Coppi und Hanno Günther, der von 1934 bis 1935 die Schule besuchte und 1942 ebenfalls als Widerstandskämpfer in Plötzensee ermordet wurde.

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Wegweiser

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten übernahm der bereits 1933 als Internatsleiter eingesetzte Studienrat Felix Scholz, ein aktives Mitglied der NSDAP, die Schulfarm. Schüler, „deren Haltung in nationalpolitischen Fragen ein Verbleiben auf der Insel nicht zulässt“, wurden systematisch verdrängt. Wilhelm Blume, der inzwischen Schulleiter der Humboldt-Schule in Tegel war, ermöglichte diesen jedoch Schulbesuch und Abitur an seiner Schule. 
Zwischen November 1940 und Mai 1945 wurden die Schüler von Scharfenberg im Rahmen der Kinderlandverschickung in verschiedene ländliche Orte verlegt. 

Wilhelm Blume fuhr nach dem Krieg quasi „zweigleisig“: Bereits am 12. Mai 1945 erhielt er von der Reinickendorfer Bezirksverwaltung den Auftrag zur Wiedereinrichtung der Schulfarm, und der Schulbetrieb wurde bereits am 19. September mit 70 Jungen und drei Lehrkräften wieder aufgenommen. Blume war zu der Zeit gleichzeitig Direktor der Humboldt-Schule und der Schulfarm. 


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Olli ist das älteste Pferd der Insel und läuft frei herum.

Zum Schuljahresbeginn Ostern 1946 kamen erstmals 25 Mädchen nach Scharfenberg, 1947 erhöhte sich die Zahl auf 31. In den 1950er und 60er Jahren wurden die Schulgebäude ausgebaut und weitere sieben Schülerhäuser gebaut. 2022 wurde übrigens das 100-jährige Bestehen der Schulfarm groß gefeiert – mit den rund 450 Schülerinnen und Schülern, die heute die Schule und das Internat besuchen. 

Wer per Schulfähre zur Insel übersetzt, kommt unweigerlich am Dreiseitenhof im denkmalgeschützten Bereich der Insel an: Auf der linken Seite befindet sich mit der mit Schilfrohr gedeckten Stallscheune das älteste Gebäude, das von der Familie von Humboldt 1777 errichtet wurde. Auf der rechten Seite befindet sich das Fährhaus aus dem Jahr 1927 und in der Mitte das Gärtnerwohnhaus aus den 1880er Jahren. 

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Kormorane machen es sich vielfach auf den Ästen an der Nord- und Südseite der Insel bequem.

Direkt neben dem Hauptweg grast Olli, das älteste Pferd auf der Insel. Hinter dem Zaun spazieren ein paar Schafe umher, und auf der Weide im westlichen Teil des Eilands sind die Rinder zu Hause. Linker Hand befindet sich der verbotene Wald und am Nordufer der kleine Inselstrand. Idylle pur! 
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