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VALENTINSWERDER
EINE RUTSCHBAHN AM GOLF VON NEAPEL

Valentinswerder: Das Inselidyll ist das Zuhause von Menschen, Bibern und Waschbären
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Rubinrote Rhododendren leuchten zwischen Buchen und Kastanien, der Flieder duftet, und die Pfingstrosen sind in voller Blüte. Spechte hämmern und der Biber dreht eine Runde am östlichen Ufer. Es ist schön hier – mitten in Berlin und doch so weit weg vom normalen Leben. Selbst das so beschauliche Tegel erscheint mir wie eine laute Großstadt. Ich werde von meiner ehemaligen Schulfreundin über die Insel geführt – vorbei an verwunschenen Gärten und individuell gestalteten Häuschen sowie vorbei an schicken Villen im Stil der Gründerzeit und durch die Inselmitte mit ihrem Rondell und Baumalleen.

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Schilf und Seerosen am Ufer von Valentinswerder.


Valentinswerder ist mit einer Fläche von 132.000 Quadratmetern die zweitgrößte Insel im Tegeler See und gehört seit den 1930er Jahren zum Bezirk Reinickendorf. 

Woher die Insel den Namen Valentin bekam, ist nicht ganz sicher. Der Überlieferung zufolge soll auf dem Eiland Anfang des 18. Jahrhunderts ein Mann namens Valentin gelebt haben, der als Einsiedler hauste und Pflanzen und Tiere gut kannte, als Wunderdoktor wirkte und sich deshalb hohen Ansehens erfreute. In einer Zeitungsnotiz wurde die Insel auch „Insel der Seligen“ genannt – und zwar aus dem Grund, „weil wegen Fehlens einer öffentlichen Fähre Mahnbriefe, Steckbriefe und dgl. unfreundliche Schreiben durch die Post nicht zugestellt werden und der Mann mit dem bekannten Vogel seines Amtes nicht walten konnte. Mit dem Vermerk: ‚Valentinswerder ist eine Insel, die auf zugänglichen Wegen nicht zugänglich ist‘ gingen die Aufträge an den Empfänger zurück“, heißt es in einem Artikel des Nord-Berliner aus dem Jahr 1993. 

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Historische Karte von Valentinswerder.


Genaue urkundliche Nachricht über die Insel bringt das Jahr 1746 mit sich, als sie von der Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer einem Kolonisten namens Philipp Schupfer aus der Steiermark überlassen werden sollte. Das Amt Spandau war jedoch dagegen, weil Schupfer als notorischer Trinker galt und bei einer Überfahrt zur Insel leicht über Bord hätte gehen und ertrinken können. Doch die Königlich Preußische Regierung nahm keinen Anstoß daran – und so zog er nach Valentinswerder und baute ein Haus, einen Stall und eine Scheune. 

1874 erwarb der Bauunternehmer Paul Haberkern, der Urgroßvater des heutigen Besitzers Werner Haberkern, das Eiland und legte es als Landhauskolonie an: So ließ er einen Park pflanzen mit einem Rondell und vier Baumalleen, die sternförmig abgehen. Villen im Stil der Gründerzeit entstanden, zudem Cafés wie das „Golf von Neapel“ inklusive einer 20 Meter langen Rutschbahn, dessen Inhaber Franz Würffel war. 

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Postkarte aus dem Jahr 1906


Die Insel war ein wahrer Ausflugsmagnet. Dafür sorgte Paul Haberkern. Dessen Sohn sprach zum Stiftungsfest des auf der Insel beheimateten Segelclubs „Frithjof“ 1937: „Man darf nicht vergessen, dass es damals in Berlin nur einzelne Pferdebahnlinien gab und dass ein Ausflug nach Valentin – wie mitunter auch heute noch – eine an unvorhergesehenen Zwischenfällen reiche und daher oft langwierige Fahrt ins Blaue war. Auf seine Veranlassung wurden daher, um es dem Publikum so angenehm wie möglich zu machen, auf den Berliner Bahnhöfen Umsteigefahrkarten nach Valentin für die Eisenbahn, die Pferdebahnen und die von Spandau fahrenden Dampfschiffe verkauft – inklusive eines kostenlosen Bades in der Schwimmanstalt der Insel und einem Glas Milch.“ 

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Die 20 Meter lange Rutschbahn gehörte zum beliebten Ausflugslokal.
Das Bild ist aus dem Jahr 1905.


Man merkt, die Familie Haberkern hatte ihr Eiland in jeglicher Hinsicht fest im Griff. Die Häuser gehörten zwar den Bewohnern, der Baugrund aber wurde nur verpachtet, um die Gestaltung des Inselreiches weiter beeinflussen zu können. Im Zweiten Weltkrieg wurden etliche Villen zerbombt, auch das Restaurant. 
In den folgenden Jahrzehnten kümmerte man sich weniger um die Insel, und sie verwilderte nach und nach. Doch Werner Haberkern, Urenkel des ersten Eigentümers, stoppte diese Entwicklung in den 1990er Jahren. Er ließ das Rondell und die Alleen wieder herstellen, und sowohl Strom als auch bessere Infrastruktur sichert den Komfort der wenigen Insulaner, die hier dauerhaft leben. 

Zu 95 Prozent ist die Insel sein Privatbesitz, denn nahezu alle genutzten Grundstücke werden wie eh und je verpachtet. Wenige Häuser sind fest bewohnt, die anderen werden als Wochenendhäuser genutzt. Und seit der Schließung des Flughafens Tegel ist es hier noch einmal idyllischer geworden. Die Post holen die Insulaner aus den Briefboxen der Insel in Tegelort. Und zum Festland gelangen sie mit ihrem eigenen Boot. 
Auch Besucher dürfen die Insel betreten: Mit der Fähre Odin ist ein Besuch an den Wochenenden zwischen April und Oktober möglich. www.faehre-tegelersee.de 


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