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LINDWERDER
RAKETENVERSUCHE AUF DER LIEBESINSEL

Lindwerder ist für die Vereinsmitglieder ein Inseltraum mitten in der Großstadt.
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Wo bitteschön, befindet sich die Liebesinsel? Es gibt doch historische Postkarten und sogar Fotos davon? Darauf ist zu sehen, wie zwei Ruderboote an dem kleinen Eiland anlanden, das nur wenige Quadratmeter groß ist. Ein weißer Strand und ein paar Bäume – und ein Schriftzug mit den Worten „Liebesinsel im Tegeler See“. Der Stempel auf der Rückseite ist von 1913. Keine Frage – dieses Bild ist echt und diese Insel gab es wirklich und gibt es heute immer noch: Es ist Lindwerder, die kleinste Insel im Tegeler See. Jedoch sieht sie heute ganz anders aus. 

Ein kleines Motorboot fährt vom Gelände des Angelvereins Wedding am südlichen Ufer des Tegeler Sees ab und legt an der kleinen Insel an. Die Überfahrt hat nur wenige Minuten gedauert – doch befindet man sich sofort in einer komplett anderen Welt. Hier ticken die Uhren langsamer, der Alltag ist weit weg. Sandwege führen an kleinen Lauben vorbei. Der Mini-Strand ist heute verwaist. Doch am Vereinshaus herrscht Betrieb: Die Insel wird quasi winterfest gemacht, und alle helfen mit und räumen auf. Der Grill arbeitet auf Hochtouren und die Stimmung ist ausgelassen. Jeder kennt jeden seit Jahrzehnten. Fremde kommen selten, man ist hier unter sich. 

Erstmals erwähnt wurde die Insel im Jahr 1590: Damals teilte die Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer sie dem Besitzer des Gutes Tegel in Erbpacht zu. Ab 1822 gehörte das Eiland Wilhelm von Humboldt, bevor der auf Scharfenberg wohnende  Naturforscher Dr. Carl Bolle 1867 die Insel kaufte. Doch später gelangte Lindwerder wieder in Besitz der Humboldt-Familie. 

In den 1930er Jahren wurde das 300 Quadratmeter kleine Eiland auf unschöne Weise vergrößert: Denn die Eisengießerei und Maschinenbauanstalt Borsig begann, genau hier ihre Hochofenschlacke abzukippen. So wuchs das Eiland auf seine heutige Größe von rund 7.000 Quadratmetern an – das bedeutete jedoch eine extreme Schadstoffbelastung. 

Bald darauf kam ein weiterer prominenter Besucher auf das Eiland: der NASA-Weltraumpionier Wernher von Braun hat auf Lindwerder – damals war er allerdings noch ein junger Lehrling – angeblich seine ersten Raketentests durchgeführt. Die Testserien setzte er später als Ingenieur am Schwielowsee fort. Die Vorgeschichte der ersten Mondlandung 1969 reicht also, wenn man so will, bis auf das kleine Lindwerder zurück. 
Für kurze Zeit, nämlich von 1955 bis 1967, ragte ein 12,5 Meter hoher, aus Holz gebauter Beobachtungsturm in den Inselhimmel. Er wurde von der Wedding-Abteilung der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft für den Wasserrettungsdienst gebaut. 

In den 1960er Jahren wurde es voll auf dem kleinen Eiland: Jugendliche nutzten Lindwerder für ihre Freizeitwochenenden. Sie stellten die ersten Zelte auf und installierten Stege am Ufer. Doch das Wildzelten nahm überhand, und schon bald bedeckten mehr als 200 Zelte den Inselboden. Auch Sommerlauben kamen hinzu – um 1970 wohnten im Sommer 126 Familien in rund 250 Zelten, 40 Sommerlauben und mehreren Wohnwagen auf Lindwerder. Das war eindeutig zu viel für das Inselchen – und das Bezirksamt Reinickendorf erließ strenge Schutzregeln und eine Obergrenze: Lediglich 40 Familien durften die Insel noch nutzen. 

Heute kümmert sich der „Verein der Wassersport- und Naturfreunde Lindwerder e.V.“ um das Eiland. Gegründet 1970, wurden Pachtverträge zwischen Verein und den Humboldt-Nachfahren geschlossen. Die Mitglieder bauten das Vereinshaus im Inselzentrum und pflegen Lindwerder seitdem wie einen kostbaren Schatz. Zu ihrer Arbeit gehören auch die Befestigung des Ufers und das Verlegen eines Reisig-Rings rund um die Insel, um Vögeln Nistmöglichkeiten zu bieten. Nur der Anbau von Obst und Gemüse oder das Pflanzen von Blumen ist verboten, denn der Boden gilt durch die Borsig-Schlacke weiterhin als kontaminiert. 

Heute zählt der Verein 35 Vereinsmitglieder, und auf der Insel haben insgesamt 20 Vereinshäuschen Bestandsschutz. 

„Die Insel Lindwerder, unser Vereinsgelände, ist eine weitgehend naturbelassene Oase mitten in der quirligen Hauptstadt Deutschlands. Und das soll auch so bleiben“, heißt es auf der Website des Vereins. Und so ist die Insel einzig den Vereinsmitgliedern vorbehalten, ein Besuch ist nicht erlaubt.
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Fotografie der Liebesinsel aus dem Jahr 1913
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Einige wenige Vereinshäuser haben Bestandsschutz.
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Die Steganlage ist privat, das Anlegen nur Vereinsmitgliedern vorbehalten.
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